Fingerspitzengefühl und Vielschichtigkeit
In Herbert Wellhöfer hat das Martin von Wagner Museum seinen wichtigsten Wohltäter. Jetzt hängt dort ein Porträt von ihm, mit dem seine Verdienste gewürdigt werden. Der Maler ist Träger des Kulturförderpreises der Stadt Würzburg 2023.
Maler und Modell: Jaroslav Dražil und Herbert Wellhöfer umrahmen das neue Porträt.
Foto: Damian Dombrowski
„Jeder sieht eine Person mit anderen Augen. Das macht aus der Porträtmalerei eine fast unmögliche Sache“, räsonniert Jaroslav Dražil. Der Maler hat soeben ein Werk geschaffen, das für das Martin von Wagner Museum der Universität Würzburg ein Novum darstellt: eine lebende Person, verewigt von einem zeitgenössischen Künstler.
Der Dargestellte ist Herbert Wellhöfer, langjähriger Mäzen des MvWM und Ehrendoktor der Universität Würzburg. Auf die Idee, Dr. Wellhöfer mit einem Porträt zu ehren, musste das Museum gar nicht selber kommen – sie hat sich sozusagen von selbst aufgedrängt, denn niemand hat das Martin von Wagner Museum in seiner ganzen Geschichte mehr unterstützt.
Das neue Konterfei beschließt die Galerie der großen Persönlichkeiten, von der die Museumsbesucher im Eingangsbereich der Gemäldegalerie begrüßt werden. Die Reihe beginnt mit Bonavita Blank, dem Professor für Naturkunde, aus dessen Sammlung 1832 einige Objekte ins neugegründete „Ästhetische Attribut“ der Universität Würzburg wanderten.
Fünf weitere Bildnisse zeigten bislang Personen, die sich um das Martin von Wagner Museum in dessen fast zweihundertjähriger Geschichte besonders verdient gemacht haben. Doch die Porträts von Blank und Wellhöfer stechen durch ihre Größe und Farbigkeit hervor. Und sie rahmen diese Galerie dadurch ein, dass sie aufeinander Bezug nehmen.
Blank weist mit dem Zeigefinger auf ein Buch, in dem ein Papagei abgebildet ist, Wellhöfer zeigt mit seiner rechten Hand eine Münze vor. Sie stammt aus dem vierten vorchristlichen Jahrhundert und ist eines der schönsten Exemplare aus der Sammlung griechischer Münzen, die Wellhöfer 2018 dem Universitätsmuseum geschenkt hat. Die Tetradrachme aus Syrakus, mit dem Profilbild der Quellnymphe Arethusa auf der Vorderseite, gehört zu seinen Lieblingsstücken.
Der Porträtierte hält eine griechische Münze vor sich. Sie zeigt Arethusa, die Stadtgottheit von Syrakus, und ist Teil der Münzsammlung, die Herbert Wellhöfer 2018 dem Museum gestiftet hat.
Fotos: Jaroslav Dražil (links) – Adrian Erben (rechts)
So pointiert das Porträt von Jaroslav Dražil die Sammelleidenschaft des Dargestellten. Wie Dr. Wellhöfer die Münze präsentiert, spiegelt im Grunde die Art seines Mäzenatentums wider. Es ist nie aufdringlich, sondern von einer besonderen Zurückhaltung geprägt. Genau dieses Merkmal geht aus dem Porträt hervor, denn es verkörpert Fingerspitzengefühl im doppelten Sinne.
Es verkörpert nicht Stolz, sondern Bonhomie; nicht Prahlerei, sondern Einladung zur Teilhabe an Dr. Wellhöfers eigener Freude an der Kunst. Sogar in der Maltechnik klinge Dr. Wellhöfers persönliche Ausstrahlung auf: Während seine Gestalt in Öl wiedergegeben ist, führte Dražil den Hintergrund in Acrylfarbe aus. Dadurch wird eine leise Spannung erzeugt; über Gesicht und Körper aber legt sich erst recht eine subtile Milde.
Im Hintergrund taucht, in vereinfachten Formen, die Würzburger Residenz auf und damit der Bau, der seit 1963 das Martin von Wagner Museum beherbergt. Ihm galt schon früh seine Zuneigung: Wie Wellhöfer anlässlich der Übergabe des Bildes berichtete, nahm er als Schüler stets dieselbe Straßenbahn wie Professor Hans Möbius, Inhaber des Lehrstuhls für Klassische Archäologie, der das Museum damals leitete. Ihn fragte er bei diesen Fahrten regelmäßig aus.
Damals, in den späten 1950er-Jahren, frequentierte Wellhöfer bereits die Graphische Sammlung des noch nicht öffentlich zugänglichen Museums (siehe https://www.martinvonwagner-museum.com/post/gleichgezogen-mit-martin-von-wagner). Vierzig Jahre später, längst zum erfolgreichen Unternehmer avanciert, studierte er in Würzburg Klassische Archäologie und Kunstgeschichte, was ihn noch enger mit dem Museum verband.
2016 brachte er mit einem großen Förderbetrag die Modernisierung der Gemäldegalerie in Gang, stiftete seine Münzsammlung (er finanzierte auch das Münzkabinett in der Antikensammlung und die Katalogisierung aller Objekte) und schenkte dem MvWM mehrere Kunstwerke, vor wenigen Wochen ein sagenhaftes Gemälde des Utrechter Caravaggismus, Jan Gerritsz. van Bronchorsts „Verleugnung Petri“ aus den 1640er-Jahren (siehe https://www.martinvonwagner-museum.com/post/ein-neuer-star-unter-den-alten-meistern).
Sein Vermächtnis ist die hochdotierte „Wellhöfer-Stiftung für das forschende Museum“, die in diesem Jahr aus der Taufe gehoben wurde; sie vergibt Promotionsstipendien und unterstützt die wissenschaftlichen Aktivitäten des forschungsstarken Martin von Wagner Museums. „Aber ich habe auch noch andere Dinge im Sinn, die der Universität zugute kommen werden“, kündigt Wellhöfer an.
Dass die Auswahl des Malers auf Jaroslav Dražil fiel, ist kein Zufall. Der 39-jährige Maler, der zu den gefragtesten Künstlern der Region zählt, hat 2022 für eine Ausstellung im Martin von Wagner Museum einen Zyklus zum Neuen Testament geschaffen, der bei vielen Besuchern auf Begeisterung stieß – so auch bei Herbert Wellhöfer. Während sein Porträt entstand, erreichte den Maler die Nachricht, dass er am 21. November den Kulturförderpreis der Stadt Würzburg erhalten wird.
Das neue Porträt lässt sich mit einem Kaleidoskop vergleichen: Es charakterisiert den Mäzen und Sammler, es zeigt ein kostbares Exponat der Antikensammlung, es spielt auf den Sitz des Museums an. Mit der holzschnittartigen rechten Seite des Hintergrunds rückten sogar die handwerklichen Ursprünge der Firma Wellhöfer ins Bild. Der Stil des Bildes schließlich halte die Erinnerung an eine der erfolgreichsten Ausstellungen der letzten Jahre wach, eben die erwähnte Dražil-Einzelschau „FACTUM EST“.
Dražil zufolge sieht jeder an einem bestimmten Menschen etwas anderes; schon der Maler nehme eine Person anders wahr als diese sich selbst. Daher schließt Porträtieren unendlich viel mehr ein als das bloße Abkonterfeien. Ein gutes Porträt legt auch offen, dass der Mensch nie etwas ganz Eindeutiges ist, sondern immer die Summe aus Eigen- und Fremdwahrnehmung.
Diese Balance hält das Wellhöfer-Porträt. Offenbar hat die scheinbare Unmöglichkeit, ein Porträt zu erschaffen, den Maler erst recht angespornt – zu einem Menschenbild, das die Züge des Mäzens bewahrt, aber auch viel Raum für Interpretation lässt.