Internationale Tagung zur Kunst des Trauerns
In den Jahrzehnten um 1800 ist die emotional konnotierte Aufgabe des Trauerns in der bildenden Kunst Europas allgegenwärtig. Diesem übergreifenden Phänomen widmet sich das erste „Wellhöfer-Kolloquium“. Dieses neue Format wird von nun an alle zwei Jahre Forschungsfragen zur Kunstgeschichte zwischen 1750 und 1850 nachgehen.
Mit den auffallend häufigen Trauermotiven und -stimmungen in sämtlichen Bildkünsten dieser Epoche hat sich die kunsthistorische Forschung vor allem hinsichtlich Säkularisierung und Auflösung ikonographischer Normvorstellungen beschäftigt. Tatsächlich wird Trauern in der sogenannten ‚Sattelzeit‘ erstmals als existenzielles Bildthema isoliert, teilweise auch jenseits moralischer oder theologischer Rückkopplungen.
Auch bei Martin von Wagner wird allenthalben getrauert, hier in einer seiner Zeichnungen zum ersten Gesang der »Ilias«: Achill versinkt in Gram, Briseis wirft einen letzten trauervollen Blick auf ihn, ihre Geleiter sind gedämpfter Stimmung.
© Martin von Wagner Museum
Doch warum wird der Wunsch nach Bildern des schmerzhaften Verlusts ausgerechnet in der Aufklärungsepoche so stark, die wie keine vor ihr von Fortschrittsoptimismus getragen war? Wieso scheint für diese Bilder die Transformation christlicher Sujets als besonders geeignet erachtet worden zu sein? Geht die neue Visualität des Trauerns mit veränderten genderspezifischen Zuschreibungen einher? Besteht eine Wechselwirkung zwischen dem Rückzug von Trauernden in sich selbst und dem Reduktionismus der klassizistischen Formensprache? Welche Rolle für die Trauerikonographie spielt die Erweiterung des Antikenkanons durch die beginnende Archäologie? Lässt sich ein plausibler Zusammenhang der Trauer-Konjunktur in der Kunst mit gesellschaftlichen und politischen Umbrüchen begründen?
Diesen und anderen Fragen stellt sich das Wellhöfer-Kolloquium. Die Keynote wird Professor Werner Busch von der FU Berlin halten, dessen umfassende Studie „Das sentimentalische Bild“ (1993) die kunsthistorische Forschung zu dieser Epoche des Übergangs von der Vormoderne zur Moderne entscheidend geprägt hat. In sechs Panels – Sentimentalisierte Trauer, Trauer-Orte, Entgöttlichte Trauer?, Trauern an der Epochenschwelle, Antike als Trauer-Modell und Politisches Trauern – wird das Thema aus unterschiedlichsten Perspektiven diskutiert, von Referentinnen und Referenten aus Deutschland, Frankreich, Italien, Österreich, der Schweiz und den USA.
„Die Kunst des Trauerns | Gezügelte Gefühle in den Bildkünsten“ oder „The Art of Mourning | Emotion and Restraint in the Visual Arts“ findet am 5./6. Dezember jeweils ganztägig in der Gemäldegalerie des MvWMs statt. Die Tagung wird in Zusammenarbeit mit der Deutschen Gesellschaft für die Erforschung des 19. Jahrhunderts veranstaltet. Sie steht allen Interessierten offen, die Teilnahme ist kostenlos.